Urheberrechtsschutz Pipi Langstrumpf

DE-BGH bestätigt Urheberrechtsschutz für literarische Figur „Pippi Langstrumpf“


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Die fiktive literarische Figur „Pippi Langstrumpf“ ist urheberrechtlich geschützt. Dies hat der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) vor kurzem entschieden. Für den urheberrechtlichen Schutz einer literarischen Figur sei die Kombination zweier Elemente zu beurteilen: Die besonderen äusseren Merkmale und die ausgeprägten Charaktereigenschaften. Ist eine Figur für sich geschützt, ist es Dritten grundsätzlich urheberrechtlich verboten, diese zu übernehmen. Die Urheberrechte werden jedoch dann nicht verletzt, wenn ein Dritter lediglich wenige äussere Eigenschaften der Figur übernimmt. So auch im vom BGH zu entscheidenden Fall: Weil ein Dritter, der für seine Pippi-Langstrumpf-Karnevalskostüme warb, nur wenige der äusseren Besonderheiten übernahm und diese für sich allein keinen Urheberrechtsschutz begründet hätten, wies er eine Klage der Urheberrechtsinhaberin ab.

Angebot von und Werbung für Pippi-Langstrumpf-Kostüme

Im Jahr 2010 bot eine deutsche Detailhandelskette Karnevalskostüme an, mit welchen man sich als Pippi Langstrumpf verkleiden konnte. Sie bewarb das Angebot mit einem Mädchen und einer jungen Frau, welche die Kostüme präsentierten. Beide trugen auf den Werbeabbildungen eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen, ein T-Shirt und Strümpfe mit rotem und grünem Ringelmuster. Die Abbildungen wurden unter anderem in Verkaufskatalogen, Plakaten und Zeitungsinseraten abgedruckt und waren über die Website der Detailhandelskette abrufbar.

Klage der Urheberrechtsinhaber: Schadenersatz von 50‘000 Euro

Die Figur der Pippi Langstrumpf wurde in den 1940er-Jahren von der mittlerweile verstorbenen schwedischen Schriftstellerin Astrid Lindgren erfunden. Die Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am ihrem künstlerischen Schaffen reichte Klage gegen die Detailhandelskette ein, da deren Werbung ihre Rechte an der literarischen Figur „Pippi Langstrumpf“ verletze. Die Klägerin forderte Schadenersatz in der Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50‘000 Euro.

Landgericht heisst Klage gut

Das erstinstanzliche Landgericht hiess die Klage gut. Eine gegen dieses Urteil erhobene Berufung wies das Oberlandesgericht ab. Dieses begründete seinen Entscheid damit, dass die Figur „Pippi Langstrumpf“ Urheberrechtsschutz geniesse und diese Rechte verletzt seien. Sie sei eine einmalige Figur, die sich aufgrund ihrer äusseren Merkmale und ihrer Wesenszüge von vor ihrer Erfindung bekannten Figuren deutlich abhebe.

Die beschriebene Nutzung sei urheberrechtlich unzulässig, weil bei einer Gesamtbetrachtung die individuellen Züge der literarischen Vorlage deutlich sichtbar seien. Dieses Urteil des Oberlandesgerichts zog die Detailhandelskette an den Bundesgerichtshof weiter.

Figur der Pippi Langstrumpf ist urheberrechtlich geschützt

Übereinstimmend mit den Vorinstanzen ging dieser davon aus, dass die von Astrid Lindgren geschaffene Figur Urheberrechtsschutz geniesst. Voraussetzung für den Schutz eines fiktiven Charakters ist gemäss Bundesgerichtshof, dass die Autorin dieser Figur durch die Kombination von besonderen äusseren Merkmalen und ausgeprägten Charaktereigenschaften eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Nach deutscher Rechtsprechung sind beispielsweise Asterix und Obelix, die Schlümpfe, Donald Duck und Pumuckl als literarische Figuren urheberrechtlich geschützt.

Auch bei der Figur der Pippi Langstrumpf sind gemäss Bundesgerichtshof beide Elemente erfüllt. Bereits die äusseren Merkmale würden aus dem Rahmen fallen, so zum Beispiel die karottenfarbenen, zu zwei abstehenden Zöpfen geflochten Haare, die Sommersprossen und die Kleidung, namentlich ein gelbes Kleid mit blauer Hose, ein schwarzer und ein geringelter Strumpf sowie die viel zu grossen Schuhe. Zu diesen äusseren Merkmalen würden ganz besondere Persönlichkeitsmerkmale hinzukommen. So sei die Figur beispielsweise trotz schwierigen familiären Verhältnissen stets fröhlich, zeichne sich durch eine ausgeprägte Furcht- und Respektlosigkeit, gepaart mit Fantasie und Wortwitz, aus und besitze übermenschliche Kräfte.

Keine Urheberrechtsverletzung, da nur wenige Merkmale übernommen wurden

Im konkreten Fall verneinte der BGH allerdings eine Verletzung der Urheberrechte. Der Betrachter erkenne zwar, dass es sich bei den in der Werbung abgebildeten Figuren um Pippi Langstrumpf handeln soll. In den Abbildungen würden allerdings nur wenige Merkmale übernommen, die für den urheberrechtlichen Schutz der literarischen Figur massgeblich sind. Eine literarische Figur sei nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn sie sich durch eine unverwechselbare Kombination äusserer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen auszeichnet.

Das Urheberrecht an einer solchen Figur wird konsequenterweise nicht bereits dann verletzt, wenn lediglich wenige äussere Merkmale übernommen werden, die für sich genommen den Urheberrechtsschutz nicht begründen könnten. Die übernommenen Merkmale würden zwar ausreichen, um Assoziationen an Pippi Langstrumpf zu wecken und zu erkennen, dass es sich um ein Pippi-Langstrumpf-Kostüm handeln soll. Da die Detailhandelskette für die beiden Personen in den fraglichen Werbeabbildungen lediglich die Farbe und Form der Haare, die Sommersprossen und den Kleidungstil Pippi Langstrumpfs übernommen habe, liege keine jedoch Urheberrechtsverletzung vor.

Vollständigkeitshalber ist zu ergänzen, dass der Bundesgerichtshof die Rechtssache nur in Hinblick auf die Urheberrechte beurteilte. Da die Vorinstanzen ihre Urteile auf das Urheberrecht stützten, äusserten sie sich nicht dazu, ob allenfalls wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen die Verwendung der Figur bestehen. Der BGH hat die Rechtssache deshalb an das Oberlandesgericht zurückgewiesen, das ergänzend über diese Frage befinden muss.

Rechtslage in der Schweiz

Das deutsche Urteil rechtfertigt einen kurzen Blick auf die Rechtslage in der Schweiz: Auch hierzulande können fiktive literarische Figuren urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie individuellen Charakter haben. Zu berücksichtigen ist dabei auch nach schweizerischem Recht die Kombination zweier Elemente: Erstens die Charakterzüge, die vom Urheber beschrieben werden oder indirekt aus dem Verhalten der Figuren resultieren, und zweitens die Erscheinung, der Status und der Name der Figur.

Es ist somit immer eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen. Das Bundesgericht hat in einem in der Literatur stark kritisierten Urteil beispielsweise den Figuren „Sherlock Holmes“ und „Dr. Watson“ von Arthur Conan Doyle die Urheberrechtsschutzfähigkeit abgesprochen, weil sie nicht in origineller Weise ausgestaltet seien, sodass sie für sich allein – losgelöst vom literarischen Gesamtwerk – keine individuelle Schöpfungen im Sinne des Urheberrechtsgesetzes wären (vgl. BGE 85 II 120). Bejaht hat es hingegen die Schutzfähigkeit von Walt Disneys „Mickey Mouse“ (vgl. BGE 77 II 379).

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Adrian Süess


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